Der Schlaf bekommt eine Stimme

    Unser Körper und unsere Psyche benötigen erholsamen Schlaf, um gesund zu bleiben. Das Netzwerk Schlaf, das am 23. Oktober gegründet wurde, setzt sich dafür ein, dass der Schlaf als wichtige Gesundheitsressource anerkannt wird. Prof. Dr. Björn Rasch von der Universität Freiburg ist Vorsitzender des Netzwerkes Schlaf Schweiz und stellt uns die Thematik rund um einen gesunden Schlaf wie auch um Schlafstörungen kurz vor.

    (Bild: pexels) Ein- und Durchschlafstörungen sind in der Schweiz häufig und betreffen etwas mehr als ein Drittel der Bevölkerung.

    Das Netzwerk Schweiz Schlaf ist am 23. Oktober offiziell gegründet worden. Welche Idee steckt hinter diesem Netzwerk und wie ist es entstanden?
    Prof. Dr. Björn Rasch: Das Netzwerk Schlaf ist durch eine Initiative der Gesundheitsförderung Schweiz entstanden. Schlaf ist eine wichtige Gesundheitsressource, und das Netzwerk Schlaf möchte die Bevölkerung der Schweiz für dieses wichtige Thema sensibilisieren. Gleichzeitig möchte das Netzwerk Schlaf Schweiz die wichtigen professionellen Akteure aus dem Bereich Schlaf miteinander vernetzen – also Kliniken, Versicherungen, Unternehmen, Verbände etc. – und damit Synergien und Ideen für Projekte und Kampagnen zum Schlaf schaffen. Zusätzlich möchte das Netzwerk Schlaf auch die Politik von der Wichtigkeit des Themas Schlaf für die Förderung der Gesundheit, der Leistungsfähigkeit und Resilienz überzeugen.

    Wie sensibilisiert sind Bevölkerung und Politik für das Gesundheitsthema Schlaf?
    Hier steht uns noch ein weiter Weg bevor. Schlaf ist zum Beispiel bisher nicht Teil der Nationalen Strategie zur Prävention nichtübertragbarer Krankheiten (NCD). Auch im Bereich Schule, Sport, Beruf und Politik stehen leider häufig pragmatische Entscheidungen im Vordergrund, wie zum Beispiel ein sehr früher Schul- oder Arbeitsbeginn, lange abendliche Trainingszeiten oder nächtliche politische Marathonsitzungen. Der ausreichende Schlaf sollte bei diesen Themen eine viel wichtigere Rolle spielen, um Überlastungen zu vermeiden, Fehltage zu reduzieren und das Risiko für Krankheiten wie Herzkreislauferkrankungen, Übergewicht, Diabetes und Demenz zu reduzieren. Auch in der medizinischen Versorgung, gerade bei älteren Menschen, werden immer noch viel zu häufige und über lange Zeiträume Schlafmittel verschrieben, obwohl es wirksame andere Behandlungen gegen Schlafstörungen gibt, wie zum Beispiel die konnotative Verhaltenstherapie.

    Was bedeutet normaler Schlaf?
    Schlaf ist individuell sehr verschieden. Ein normaler Schlaf sollte dazu führen, dass sich Individuen am Tag ausgeschlafen und erholt fühlen, leistungsfähig und ausgeglichen sowie wenig krankheitsanfällig sind. Meistens bedeutet dies, dass Menschen mehr als 80 Prozent der Zeit, die sie im Bett liegen, tatsächlich schlafend verbringen, und der Schlaf ein altersgerechtes Muster aufweist (d.h. ausreichend Tiefschlaf und REM Schlaf und stabilen mitteltiefen Schlaf, wenige Unterbrechungen und eine geringe Fragmentierung der Schlafphasen etc.).

    Was hat es mit der Empfehlung acht Stunden Schlaf auf sich?
    Diese Empfehlung ist nicht hilfreich. Schlaf ist wie gesagt sehr individuell, und die durchschnittliche Schlafdauer kann je nach Person recht unterschiedlich sein. Zusätzlich hängt dies sehr vom Alter ab. Kinder und Jugendliche brauchen mehr Schlaf als Erwachsene. Empfohlen wird bei Erwachsenen meist eine durchschnittliche Schlafdauer von sieben bis neun Stunden, manchmal auch sechs bis zehn Stunden. Das gilt aber nicht für jede Nacht: Wir können kurzfristig auch mit weniger Schlaf oder ganz ohne Schlaf auskommen, und holen diesen Schlaf dann nach (z.B. am Wochenende). Wichtig ist aber, dass es nicht zu einem langfristigen und chronischen Schlafdefizit kommt.

    2022 gab ein Drittel der Bevölkerung an, unter Schlafstörungen zu leiden. Hat das mit unserer schnelllebigen, digitalisierten Gesellschaft zu tun? Auf was führen Sie dies zurück?
    Schlafstörungen gab es schon immer. Der Schlaf «altert» d.h. wir schlafen mit dem Älterwerden im Durchschnitt schlechter als in jüngeren Jahren. Dies hat wenig mit unserer digitalisierten Gesellschaft zu tun, sondern ist einfach ein Alterungsprozess, so wie unsere Haut oder unsere Haare altern. Auch vor 25 Jahren gaben ungefähr ein Drittel der schweizerischen Bevölkerung in einer identischen Umfrage an, unter Schlafstörungen zu leiden. Und dies war noch vor der Einführung von Smartphone und Co. Besorgniserregend ist allerdings, dass Schlafstörungen besonders in der Gruppe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen ansteigen.

    Besonders der Anteil junger Frauen mit pathologischen Schlafstörungen hat sich verdreifacht. Wieso gerade diese Altersgruppe?
    Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Belastungen in dieser Gruppe in den letzten Jahren stark angestiegen sind. Dies könnte durchaus auch mit der digitalisierten Gesellschaft und den sozialen Medien zu tun haben. Es spielen sicherlich aber auch andere Faktoren wie psychischen Belastungen, Ängsten und Depressionen sowie externen Ereignissen (wie zum Beispiel Kriege, Klimawandel etc.) eine wichtige Rolle. Dies ist aber recht spekulativ, da es relativ schwierig ist, diesem Anstieg eine klare Ursache zuzuordnen.

    Wie therapiert man Schlafstörungen und wie sinnvoll sind Schlafmittel?
    Es gibt verschiedene Formen von Schlafstörungen. Die häufigste Schlafstörung ist die Ein- und Durchschlafstörung, die keine klaren körperlichen Ursachen hat. Wenn diese Schlafstörungen mehr als einen Monat anhält, sehr häufig auftritt und unser Befinden am Tag stark beeinflusst, spricht man von einer Insomnie. Die wirksamste und empfohlene Behandlung einer Insomnie ist die kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie. In dieser Therapie wird das Schlafverhalten schlafförderlich angepasst, und psychische Belastungen und ungünstige Erwartungen bearbeitet. Eine weitere sehr häufige Schlafstörung ist die Schlaf Apnoe, also Atemaussetzer im Schlaf. In schweren Fällen werden hier Atemmasken verwendet. Bei leichten und mittelschweren Formen gibt es auch andere Behandlungsansätze, zum Beispiel Schienen, Kissen oder auch die Stärkung der Halsmuskulatur

    Die Förderrunde 2025 mit der Ausschreibung «Chronische Schlafstörungen – von der Frühintervention bis zur Vermeidung von Folgeschäden» ab dem 13. September 2024 bis am 17. Januar 2025. An wen richtet sich dieses Angebot und was muss man sich darunter vorstellen?
    Die Ausschreibung richtet sich an Institutionen und Verbände, die in der Gesundheitsvorsorge tätig sind, also zum Beispiel Schlafklinken, Alters- und Pflegeheime, Ärzteverbände, Psychotherapeuten etc. Sie sind aufgerufen, vierjährige Projekte im Umfang von ca. 2 Millionen Franken im Bereich Präventionen und Frühintervention von Schlafstörungen zu entwickeln und einzureichen. Wichtig dabei ist eine Beteiligung der entsprechenden Kantone sowie eine Sicherstellung, dass die entwickelten Massnahmen auch nach Projektende weitergeführt werden können. Es können hier zum Beispiel Projekte zur Früherkennung von Schlafstörungen bei Jugendlichen oder zur Besserung Verfügbarkeit von wirksamen Behandlungen von Schlafstörungen in Pflegeheimen eingereicht und umgesetzt werden.

    Mit welchen Projekten ist das Netzwerk Schlaf Schweiz auf politischer Ebene aktiv?
    Auf politischer Ebene versucht das Netzwerk Schlaf, die Wichtigkeit des Themas Schlaf in der Gesundheitsstrategie des Bundes zu betonen. Der Nationalrat Christian Lohr (Mitte) hat das Patronat unseres Netzwerks übernommen und war bei unserem Publikumsanlass am 23. Oktober in Bern als Eröffnungsredner dabei. Er hat uns bei unseren Anliegen Unterstützung signalisiert.

    Interview: Corinne Remund


    Das Netzwerk Schlaf

    Das Netzwerk Schlaf will die Schlafgesundheit in der Schweiz verbessern. Seine Ziele sind:

    • Vernetzung der professionellen Akteure im Bereich Schlaf
    • Sichtbarkeit des Themas Schlaf in der Gesellschaft und Politik verbessern
    • Sensibilisierung der Bevölkerung für die Wichtigkeit einer guten Schlafgesundheit
    • Zugang zu Informationen sowie Behandlungs- und Beratungsmöglichkeiten erleichtern

    Das Netzwerk Schlaf Schweiz ist eine Nonprofit-Organisation ohne eigene Rechtskörperschaft in Form einer einfachen Gesellschaft. Grundlage bildet ein Zusammenarbeitsvertrag. Getragen wird das Netzwerk aktuell von den folgenden Trägerorganisationen Gesundheitsförderung Schweiz, Idorsia Pharmaceuticals Ltd und Lungenliga Schweiz.

    www.netzwerkschlaf.ch

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